Ess-Störungen sind keine Ernährungsstörungen, sondern seelische Erkrankungen. Einfach nur ein bisschen mehr oder weniger essen wäre so einfach. Ist es aber leider nicht.
Ess-Störungen sind bei Betroffenen und deren Angehörigen häufig mit Verzweiflung, Schuldgefühlen, Einsamkeit und Scham verbunden.
Lt. BZgA können Essstörungen Lösungsversuche für tiefer liegende seelische Probleme sein oder Ersatz für Gefühle und
Bedürfnisse ebenso stummer Protest oder Ablehnung. Sie signalisieren Verweigerung und stehen zugleich auch für
Resignation oder Anpassung.
Ich verstehe Ess-Störungen als eine tiefgreifende Störung der Identität eines Menschen.
Das Bewusstsein, die Sicherheit für das Eigene, das Unverwechselbare gehen verloren. Das Gefühl für das Selbst und
die Selbstachtung verschwindet und wird bedeutungslos.
Dies ist ein komplexer Prozess des Erlebens, der Gefühle wie Scham und Ekel ebenso umfasst wie das Körpererleben.
Nicht nur die Pfunde "verschwinden" (Anorexie) oder schieben sich wie ein Schutzschild zwischen Innenwelt und
Umwelt (Adipositas) oder spiegeln das verzweifelte Ringen um eine "Daseinsberechtigung" zwischen Perfektion und
Bedürftigkeit wieder (Bulimie). Gleichzeitig "verschwinden" in jedem Fall auch die sozialen Beziehungen und die
Lebensfreude, kapseln sich ein und werden von großer Anstrengung überlagert.
Jede Ess-Störung ist auch ein Prozess zunehmender Dissoziation, der Abspaltung von Erlebtem. Die eigene "Ge-
Wichtigkeit" der betroffenen Person wieder zu erlangen, die Individualität zu nähren und die Würde zu wahren - das sind
Werte, die spürbar in meiner Beratungspraxis sind.
Jede Ess-Störung ist der hilflose Versuch, eine Antwort auf etwas zu finden, was der betroffene Mensch nicht
bewältigen kann.
Menschen mit einer Ess-Störung oder einem essgestörten Verhalten sind an und innerhalb von sozialen Beziehungen
erkrankt und können durch erlebbare Erfahrungen, die wertschätzend und würdigend sind, anfangen zu gesunden.
Ess-Störungen entwickeln sich oft schleichend und äußern sich unterschiedlich. Je früher eine Beratung aufgesucht
wird, desto besser.